Soojie Kang & Martin Voigt ZwischenWelten

Entrückung und Fernweh mögen den Betrachtenden überkommen während der Blick in den elysischen Welten Soojie Kangs und Martin Voigts versinkt. Während die wogenden Wellen der Meereslandschaften Kangs sehnsuchtsvolle Erinnerungen an unbeschwerte Küstenaufenthalte aufschäumen lassen, entführt uns Voigt in nebelverhangenes Dickicht, mystisch anmutende Baumwelten, die der Suggestion eines Traumes näher als der tristen Realität zu sein scheinen.

Wer Martin Voigts Werdegang verfolgt, wird feststellen, dass sein altmeisterlicher Duktus sowie die Unabdingbarkeit der Figuration seit Anbeginn seines Schaffens für ihn in Stein gemeißelt sind. Mit feinmalerischer Brillanz, derer er dank des unablässigen Zeichnens nach der Natur habhaft wurde, modelliert er sowohl Flora als auch Fauna nach eigenem Gusto, wirkt als Schöpfer fantastischer Weiher und Welten, welche sich weder zeitlich noch räumlich verorten lassen. So treffen beispielsweise Zigarettenstummel auf pflanzliche Darstellungen á la Hieronymus Bosch oder von Moos überwucherte zeitgenössische Gegenstände des täglichen Bedarfs auf sich jugendstilesk verästelnde und rankende Baumgestalten - botanische Melangen aus Mangrove, Kiefer & Birke - Novalis und Horta hätten ihre Freude!

Während Voigts Terrain vorrangig im Gehölz angesiedelt ist, widmet sich Soojie Kang überwiegend maritimen Bildwelten und changiert dabei leichtfüßig und technisch ebenso meisterhaft zwischen Abstraktion & Figuration. Ihre dem Realismus verhafteten Seestücke, die überwiegend in 2020 entstanden, wirken einerseits vertraut und brechen zugleich mit konventionellen Sehgewohnheiten. Letzteres gründet vor allem in der multiperspektivischen Darstellungsweise, die den Anschein der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen erweckt, indem beispielsweise divergente Figurenstaffagen in Konkurrenz zum umgebenden Natur- bzw. Bildraum treten. Kang deduziert somit subtil die Relation zwischen Mensch und Natur, wie es einst bereits C.D. Friedrich vor Augen führte - man denke nur an den "Mönch am Meer". Ebenso trägt ihre irisierende Farbpalette zur Entrückung der Szenerien bei, die an verblassende Polaroids erinnern mag und dadurch ihren Werken retrospektiven Charakter verleiht.
In Kangs älteren Arbeiten, die in deutlich höherem Maße der Abstraktion anheim fallen, ist all dies bereits angelegt. Arbeiten wie "Natur(grau)" (2019) oder "Natur(gelb)" (2018) wecken Assoziationen zu Fotonegativen oder Dias von Spiegelungen im Wasser und bieten somit den Betrachtenden ein Füllhorn an Interpretationsspielräumen.

Ein Hauch von Eskapismus weht durch die Oeuvres der beiden jungen Leipziger Künstler, die weit mehr vereint als das gemeinsame Studium der Malerei an der HGB unter Annette Schröter.
Ihnen ist überdies die intrinsische Verbundenheit zur Natur gemein, die beiden nicht nur Quelle künstlerischer Inspiration sondern vor allem auch kontemplativer Rückzugsort ist - gerade im Kontext der gegenwärtigen Gegebenheiten. Sie analysieren, interpretieren und codieren naturnahe Lebenswelten - zweifelsfrei auf unterschiedlichen Wegen, jedoch mit anverwandten Intensionen. Beide spielen subtil mit der zeitlichen und lokalen Unbestimmbarkeit ihrer Bildräume, die folglich retrospektiven, utopischen oder gar dystopischen Charakters sind. Somit kreieren sie fantastische Welten, die zwischen dem Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen changieren - fabulierte Traumwelten zwischen Vergehen und Entstehen - kurzum: Zwischenwelten.